Samstag, 02. August
Wie diese Bozner Firma scharfe Blicke ins All ermöglicht
BOZEN. Die Bozner Firma Microgate liefert Schlüsseltechnologie für das größte Teleskop der Welt, das „Extremely Large Telescope (ELT)“ in der chilenischen Atacama-Wüste. Ihr adaptiver M4-Spiegel sorgt für gestochen scharfe Bilder aus dem All – und macht neue Einblicke ins Universum möglich.

Das Projekt im Detail
Der M4 ist der vierte von fünf Spiegeln, durch die das Licht im ELT geleitet wird – und der erste, der aktiv gesteuert wird. Mit einem Durchmesser von 2,5 Metern, einer Dicke von nur 1,95 Millimetern und sechs blütenblattförmigen Segmenten ist er der größte adaptive Spiegel, der je gebaut wurde. Sein Alleinstellungsmerkmal: Er „schwebt“ berührungslos in einem elektromagnetischen Feld, das von 5.352 Aktoren erzeugt wird. Diese verändern seine Form permanent – mit einer Präzision von weniger als zehn Millionstel Millimetern.
„Enorme Verantwortung“
„Ohne unseren adaptiven M4-Spiegel würde das gesamte Teleskop schlicht nicht funktionieren“, betont Roberto Biasi, CTO und Mitgründer von Microgate. „Es handelt sich um ein technologisch äußerst komplexes Element, das zentral für das ELT ist. Das bedeutet für uns natürlich eine enorme Verantwortung“, so Biasi.
Was wie Science-Fiction klingt, ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung. Bereits 1993 entwickelten Roberto Biasi und Daniele Gallieni, heute Geschäftsführer von ADS International, im Rahmen ihrer Dissertation am Polytechnikum Mailand ein erstes Modell adaptiver Spiegel mit magnetischer Levitation – basierend auf einem Konzept des Astrophysikers Piero Salinari. Seither hat sich Microgate mit dieser Technologie international einen Namen gemacht.
So wurde etwa der adaptive Sekundärspiegel des Very Large Telescope (VLT) in Paranal (Chile) – mit 1.170 Aktoren – bereits mit dieser Technologie realisiert. Auch für das Giant Magellan Telescope (GMT), ein weiteres Großprojekt der modernen Astronomie, kommen adaptive Spiegel mit Südtiroler Know-how zum Einsatz.
Doch das ELT ist für Microgate ein Auftrag von besonderer Tragweite. „Unser Engagement bei der Entwicklung des M4-Steuersystems ist der Höhepunkt jahrelanger Arbeit im Bereich der adaptiven Optik“, sagt Biasi. „Wir sind sehr stolz darauf, zu einem so bedeutenden Projekt beitragen zu können.“
Auch in wirtschaftlicher Hinsicht sei das ELT-Projekt ein Meilenstein für das Unternehmen: „Es ist das bislang bedeutendste Projekt in der Geschichte von Microgate – sowohl was das Prestige als auch den Umfang betrifft“, so Biasi. Konkrete Zahlen zum Auftragsvolumen nennt er nicht.
Testphase läuft
Aktuell läuft in der Firmenzentrale in Bozen die finale Testphase des M4-Spiegels. Dabei werden nicht nur elektromechanische Eigenschaften geprüft, sondern auch die Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen der Atacama-Wüste simuliert. Die optische Testphase startet ab Dezember 2025 bei ADS International in Lecco.
„Der M4-Spiegel wird – gemeinsam mit sämtlicher Prüftechnik – im Jahr 2027 nach Chile transportiert“, erklärt Biasi. „Die sogenannte erste Lichtaufnahme, also die Inbetriebnahme mit tatsächlicher Beobachtung des Nachthimmels, ist für das Jahr 2028 vorgesehen.“
Das ELT wird dann mit einem Hauptspiegel von 39 Metern Durchmesser neue Maßstäbe in der Astronomie setzen – ein Weltrekord, der über Jahrzehnte Bestand haben dürfte.
Über Microgate
Gegründet 1989 von den Brüdern Roberto und Vinicio Biasi, ist Microgate heute ein international anerkanntes Hightech-Unternehmen mit Einsatzfeldern weit über die Astronomie hinaus. Die Bandbreite reicht von Steuerungssystemen für optische Kommunikation über professionelle Zeitmessung im Sport bis hin zu Rehabilitations- und Präventionssystemen im Gesundheitsbereich. Mit Niederlassungen in den USA und einem globalen Netzwerk arbeitet Microgate eng mit Forschungseinrichtungen, Universitäten und Industriepartnern zusammen.
Kommentare