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Samstag, 02. August

Arm und Reich: Mehrheit der Südtiroler sieht eine große Kluft

BOZEN. Südtirol ist eine wohlhabende Region – das belegen regelmäßig Wirtschaftsstudien. Doch wie gleichmäßig ist dieser Wohlstand verteilt? Dieser Frage ging das Arbeitsförderungsinstitut (Afi) nach. Das Ergebnis: Fast vier von fünf Südtiroler Arbeitnehmern empfinden die Kluft zwischen Arm und Reich im Land als erheblich.

Lohn- und Wirtschaftspolitik gelten als Hauptursachen der sozialen Kluft im Land.
Diese Einschätzung steht in auffälligem Kontrast zum aktuellen Regionenbericht der Banca d’Italia, der die Provinz Bozen mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von 353.000 Euro pro Kopf zum reichsten Gebiet Italiens erklärt.

„Dies bedeutet jedoch nicht immer gleich Reichtum“, warnt Afi-Präsident Stefano Mellarini. Er mahnt zur Vorsicht im Umgang mit solchen Kennzahlen: „Der Wert einer Wohnung, der in Südtirol weit über dem gesamtstaatlichen Durchschnitt liegt, stellt zwar ein Vermögen dar, welches aber im Alltag nicht ausgegeben werden kann.“

Auch Afi-Direktor Stefan Perini sieht die Aussagekraft solcher Durchschnittswerte kritisch: „Sie können irreführend sein, da die Unterschiede zwischen denen, die wenig haben, und denen, die viel haben, oft erheblich sind.“ Er verweist auf das sogenannte „Pollo-di-Trilussa“-Paradoxon: „Wenn eine Person zwei Hühner isst und eine andere keines, haben laut Durchschnitt beide je eines gegessen.“

Ungleichheit bleibt auf konstant hohem Niveau



Die Ergebnisse der jüngsten Afi-Umfrage bestätigen einen seit Jahren feststellbaren Trend: Die Wahrnehmung sozialer Ungleichheit in Südtirol bleibe hoch und stabil. Bereits im Vorjahr hatten 80 Prozent der Befragten von einer großen Kluft zwischen Arm und Reich gesprochen – heuer sind es 78 Prozent.

Als Hauptursachen für diese Ungleichheit sehen die Befragten vor allem die Lohnpolitik (25 Prozent) und die lokale sowie gesamtstaatliche Wirtschaftspolitik (24 Prozent). An dritter Stelle steht die Einschätzung, dass „einige einfach härter arbeiten als andere“. Eher abgeschlagen folgen Steuersystem (13 Prozent), Globalisierung (11 Prozent) und Bildung (9 Prozent).

Aufstieg durch Arbeit – aber Geschlecht bleibt Hindernis



Trotz aller Kritik glauben viele Arbeitnehmer nach wie vor an persönliche Leistung als Schlüssel zum sozialen Aufstieg. Auf einer Skala von 0 bis 10 wird „hart arbeiten“ mit 7,9 Punkten bewertet, gefolgt von „gute Ausbildung“ mit 7,5 Punkten. Auch persönliche Kontakte („die richtigen Leute kennen“) werden als hilfreich gesehen.

Besorgniserregend: Auf gleicher Höhe mit „Glück haben“ und „einer wohlhabenden Familie angehören“ (jeweils 6,4 Punkte) rangiert auch die Einschätzung, „ein Mann zu sein“, als Vorteil. Für Afi-Präsident Mellarini ein klares Alarmsignal: „Dass es als Nachteil angesehen wird, eine Frau zu sein, ist ein Symptom für eine – zumindest wahrgenommene – Geschlechterdiskriminierung, die nach wie vor überwunden werden muss.“

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